Auf der Alp Astras-Tamangur

Von der Milch zum Alpkäse

Marcel Adam, Alp Astras-Tamangur.
Marcel Adam, Alp Astras-Tamangur.
Schmackhafter Alpkäse: Ob als Appetitanreger vor dem Hauptgang, als feines Dessert oder einfach als «marenda» zwischendurch – ein Stück von ihm geht eigentlich immer. Im Unterengadin kommen Freunde des Käsegenusses voll auf ihre Kosten. Zahlreiche regionale Sorten, hergestellt mit der Milch der heimischen Kühe, verwöhnen den Gaumen. Doch wie genau funktioniert die lokale Käseproduktion auf einer Alp und was ist das Besondere daran?  

Aufbruch vor Sonnenaufgang  

Es ist recht kalt an diesem sehr frühen Morgen im Juni. Der Himmel ist wolkenlos und die Sterne funkeln noch über Scuol, dem Mineralwasserdorf im Engadin. Kurz nach vier Uhr, wenn die meisten noch tief schlafen, ist der Landwirt Anton à Porta bereits hellwach. Denn heute ist Alpaufzug und Anton sorgt dafür, dass die Kühe seines Bauernhofs, der seit Generationen in Familienbesitz ist, für den Aufbruch bereitstehen.  
Vor ihnen liegt ein langer Marsch von rund 20 Kilometern. Nach der Überquerung des Inns, dem Alpenfluss, der zur Namensgebung des Engadins beiträgt (Rätoromanisch: En = Inn), geht es in das beeindruckende und wilde Val S-charl, wo einst Silber abgebaut wurde. Vom gleichnamigen Dorf schlängelt sich der Weg weiter, immer tiefer in das Seitental, entlang eines rauschenden Bergbachs, der Clemgia. Die kleine Gruppe um den Alpaufzug gelangt nun zum God da Tamangur, dem höchst gelegenen Arvenwald Europas. Das Tal verändert sich, wird breiter und offener. Sanft ziehen sich die Berge etwas zurück und geben den Blick auf das Ziel frei, dort, wo die Kühe den Sommer verbringen werden: Die Alp Astras-Tamangur.  

Der Alpaufzug bei S-charl.
Der Alpaufzug bei S-charl.
Ankunft bei der Alp Astras-Tamangur.
Ankunft bei der Alp Astras-Tamangur.

Landwirt aus Leidenschaft 

Anton à Porta liebt sein Leben als Bauer. Er mag die abwechslungsreichen Tätigkeiten, dass kein Tag wie der andere ist und er selbst Entscheidungen treffen kann. Schon als er noch als Kind auf dem elterlichen Hof und den umliegenden Feldern umher gerannt ist, war es für ihn klar, dass er diesen Weg einschlagen möchte. Nach der Betriebsleiterschule für Landwirtschaft beschloss er zusammen mit seiner Frau, Leta, den Bauernhof zu übernehmen. 

Ich geniesse die Arbeit mit den Tieren in der freien Natur und bin stolz darauf, dass ich zur Nahrungsmittelversorgung beitragen kann.

Persönliche Milchübergabe durch Anton à Porta.
Persönliche Milchübergabe durch Anton à Porta.

Anton ist überzeugt, dass es gerade in einer Ferienregion wie dem Engadin regional produzierte Lebensmittel braucht und die Gäste sowie Einheimischen auch bereit sind, aus Wertschätzung dafür etwas tiefer in die Tasche zu greifen.  Die Landwirtschaft in einem Bergtal ist eben noch echte Handarbeit und die Lohnkosten müssen gedeckt sein. Dafür weiss man, wo und wie die Produkte produziert werden. Die Transportwege sind kürzer und belasten die Umwelt weniger. Die Wertschöpfung bleibt in der Region und Arbeitsplätze werden gesichert. 
 

Woher kommt die Milch? In einem Bergtal wie dem Engadin lässt sich die Landwirtschaft von klein auf erleben.
Woher kommt die Milch? In einem Bergtal wie dem Engadin lässt sich die Landwirtschaft von klein auf erleben.

Die Herausforderungen, die diese Berufung mit sich bringt, aber auch der Vorschriftendschungel sowie die steigende Bürokratie beschäftigen ihn ebenfalls. Wie wird es eines Tages mit dem Betrieb weiter gehen, wenn er nicht mehr arbeiten kann? Finden die Söhne, die momentan völlig andere Wege einschlagen, Gefallen am Gedanken, den Hof zu übernehmen? Eine Antwort darauf hat Anton nicht. Die Nachfolgeregelungen für Landwirt*innen können herausfordernd sein, besonders in einer Bergregion wie dem Engadin. Die Arbeitszeiten sind lang und die Arbeit ist körperlich fordernd, was viele junge Leute abschreckt. Viele Flächen können aufgrund der Topografie nicht maschinell bearbeitet werden. Die Anzahl der Betriebe ist kontinuierlich rückläufig.  
Entmutigen lässt sich Anton davon nicht. Wenn er nach einem langen Tag zurückblickt, weiss er ganz genau, wie wertvoll seine Arbeit für die Region ist und die eine oder andere Sorgenfalte glättet sich.

Von der Milch zum Alpkäse 

Inzwischen geniessen die Kühe das üppige Gras, versehen mit feinen Alpkräutern, rund um die Alp Astras-Tamangur. Der Mineralisierungsgrad hier ist laut Anton höher als im Talboden und trägt zur Gesundheit der Wiederkäuer bei. Die Alpbutter wird dadurch etwas cremiger und der hier hergestellte Käse erhält seinen besonderen Geschmack.  

Apropos Käse, dieser wird von Marcel Adam und seiner Hilfskraft von Hand hergestellt. Seit über 20 Jahren ist der Familienvater Alpsenn im Val S-charl. Im Frühjahr reist der gebürtige Südtiroler an und erst im Herbst verlässt er das Tal wieder. Dazwischen lebt er ohne Unterbrechung auf der Alp. Nur seine Frau und die Mitarbeiter:innen verlassen ab und an dieses abgelegene Paradies, um Einkäufe zu erledigen. 

Es ist wie eine Sucht. So lange es die Gesundheit zulässt, mache ich das mit Leib und Seele.

Ganz so romantisch, wie man es sich vielleicht vorstellt, ist das Leben auf der Alp aber dann doch nicht. Es muss von früh bis spät sowie bei Wind und Wetter, gearbeitet werden. Die Tiere müssen versorgt werden und können nicht warten.  
Helfer:innen sind laut Marcel jedoch herzlich willkommen, sollen sich aber bewusst sein, dass zum Ausruhen und Geniessen nicht viel Zeit bleibt. Auch das enge Zusammenleben über 24 Stunden am Tag darf nicht unterschätzt werden. Dafür weiss man am Abend ganz genau, was man geleistet hat, meint Marcel mit einem strahlenden Lächeln. 

Der Betrieb auf der Alp Astras-Tamangur beginnt noch während der Nacht.
Der Betrieb auf der Alp Astras-Tamangur beginnt noch während der Nacht.

Marcels Tag beginnt lange vor Sonnenaufgang, wenn die Sterne dank fehlenden Lichtquellen im Val S-charl klar und zahlreich zu erkennen sind. Die Kühe müssen aus den umliegenden Weideflächen zusammengetrieben und gemolken werden. Ein Teil der Milch wird danach in einen Kessel gegeben und langsam bei ständigem Rühren erwärmt. Für den Abbau des Milchzuckers und die spätere Reifung gibt Marcel Milchsäurebakterienkulturen hinzu, sowie natürliches Lab, damit die Milch gerinnt.  
Sobald dies geschehen ist, wird mit der Käseharfe die Masse gleichmässig geschnitten und weiter gerührt. Zum Schluss zieht Marcel mit einem Tuch den Käse aus dem Kessel und gibt diesen in mehrere Formen, wo er gepresst wird. Nach dieser Prozedur darf sich der Käse dann in einem Keller ausruhen. Während dem Lagerungsprozess wird er weiter veredelt, bevor er schliesslich in den regionalen Geschäften im Unterengadin zum Verkauf angeboten wird.  
Am besten schmeckt ein Stück jedoch nach einer Wanderung oder Mountainbike-Tour direkt bei der Alp Astras-Tamangur in der gemütlichen «ustaria», mit herrlichen Panoramablick über das Tal und die umliegenden Berge.

Der Alpsenn Marcel Adam bei der Käseherstellung.
Der Alpsenn Marcel Adam bei der Käseherstellung.
Marcel beim Rühren der Rohmilch.
Marcel beim Rühren der Rohmilch.

Zeit zum Verschnaufen bleibt Marcel aber nicht. Vor dem gründlichen Säubern der Arbeitsräume und Utensilien wird noch frische Alpbutter hergestellt. Hierzu wird der Rahm, der von der Rohmilch in einer Milchkühlwanne aufrahmt nach der Pasteurisation verwendet. Die Butter formt Marcel von Hand und ein weicher Duft durchzieht den Raum.

Echte Handarbeit: Frische Alpbutter.
Echte Handarbeit: Frische Alpbutter.

Es ist nun Vormittag und Marcel sowie sein Team sind seit rund fünf Stunden auf den Beinen. Der Magen knurrt und endlich ist es Zeit für eine kurze Frühstückspause – natürlich darf auch der feine Alpkäse Tamangur dabei nicht fehlen.  

Drei Monate lang bleiben die Kühe ganz hinten im Val S-charl, bevor sie dann beim traditionellen Alpabzug wieder durch das Tal zurück nach Scuol getrieben werden.

Nach vielen Stunden auf den Beinen ist es Zeit für ein ausgiebiges Frühstück.
Nach vielen Stunden auf den Beinen ist es Zeit für ein ausgiebiges Frühstück.

Frische Milchprodukte aus der Region 

Von den rund 600 bis 1200 Litern Milch, die täglich auf der Alp Astras-Tamangur produziert werden, wird Alpkäse und Alpbutter hergestellt.
 
Noch frischer kann die Milch auch direkt bei vielen Bauernhöfen geholt werden, so wie bei Anton à Porta.  
Anton geniesst es sichtlich, wenn Einheimische wie Gäste die Milch bei ihm «zapfen» und mit einem glücklichen Gesicht davon ziehen. Die Menschen mit Lebensmitteln versorgen zu können, erfüllt ihn mit Stolz. 

Auf dem Nachhauseweg mit frischer Milch.
Auf dem Nachhauseweg mit frischer Milch.

Überhaupt profitiert die Bevölkerung von der Vielfalt an Produzenten lokaler (Milch)Produkte. Die umliegenden Käsereien in Tschlin, Sent und Ftan sind wichtige Milchverarbeiter und bieten unterschiedliche, schmackhafte Spezialitäten an.  

Als früherer Präsident der Chascharia Engiadinaisa in Bever liegt es Anton ganz besonders am Herzen, sich für die Milchwirtschaft einzusetzen und die Menschen mit regionalen Nahrungsmitteln versorgen zu können. 
 

Text & Bilder: Dominik Täuber.

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