Mit Sophia unterwegs.
Von S-charl über die Chamonna Lischana nach Scuol
Mit dem ersten Postauto geht es von Scuol in den beschaulichen Weiler S-charl. Die Temperaturen sind nun im September schon empfindlich kühl, aus den Schornsteinen steigt Rauch auf. Gut eingepackt geht es an den letzten Häusern vorbei in Richtung Alp Sesvenna. Der leicht ansteigende Weg führt durch einen lichten Nadelwald der zunehmend offenem Gelände weicht, je höher man steigt. Das erste Morgenlicht dringt durch das lichte Astwerk und wärmt die zahlreichen Murmeltiere, die soeben ihren Bau verlassen haben. Nach einer knappen Stunde ist die Alp Sesvenna erreicht, kurz danach gabelt sicher der Weg und der weitere Wegverlauf zur Fora da l’Aua wird linkerhand sichtbar.
Bald nach dem Betreten der alpinen Route wird es steiler und steiler, nach Passieren der letzten Bergföhren führt der Weg über lockeren Schutt. Hier ist ein erstes Mal Trittsicherheit und Schwindelfreiheit gefragt, da der Untergrund stellenweise nicht leicht zu begehen ist und einige leicht ausgesetzten Stellen zu passieren sind. Die Sonne steigt höher, der Weg wird immer steiler und man kommt in Schwitzen – Mütze, Handschuhe und Daunenjacke sind schon lange im Rucksack verstaut.
Nach einer relativ langen Passage über Schutt und Geröll gelangt man endlich auf kompakten Fels und Kletterfreudige werden hier begeistert die Hände zur Hilfe nehmen. Dieser Wegabschnitt ist fast durchgehend mit Ketten gesichert, die aber nicht zwingend benötigt werden. Auf den letzten Höhenmetern bis zum Lajet da Lischana wird es wieder etwas flacher. Vorbei am ersten Schnee der Saison geht es dem tiefblauen See entlang die letzten Schritte bis zur Fourcla da Rims und weiter zu einer Sitzbank, die zum Ausruhen einlädt. Aufgrund der tiefen Temperaturen und dem starken Wind auf fast 3000 Meter fällt die Verschnaufpause aber kurz aus. Die Kälteresistenz reicht gerade noch für einen Eintrag im «Bänkli-Buch».
Die Hochebene Rims besticht durch ihre Farbenvielfalt und das atemberaubende Bergpanorama, welches man nun da der Weg eben ist, auch während dem Gehen geniessen kann. Zu früher Stunde hat man dieses Meisterwerk der Natur noch ganz für sich allein.
Der Weg gabelt sich nun bei einem grossen Felsbrocken ein zweites Mal, auch hier wählen wir die linke Abzweigung zur Chamonna Lischana, obwohl auch der Weg zum Gipfel des Piz Lischana durchaus interessant aussieht – vielleicht bei einer anderen Gelegenheit.
Der Abstieg zur Chamonna Lischana erfordert ebenfalls etwas Trittsicherheit, ist jedoch verhältnismässig kurz: nach 4 Stunden ab S-charl erreiche ich schliesslich die kleine, an den Hang gebaute SAC Hütte. Schon einige Meter vor der Hüttenterrasse erwartet mich der Hüttenhund Jayjay, der für jede Streicheleinheit dankbar ist und sich nach der Ankunft auf der Hütte sogleich wieder daran macht Scuol von oben zu bewachen.
Auf der Terrasse der kleinen Hütte geht es familiär zu und her, man kommt schnell miteinander ins Gespräch, während das Hüttenwart-Team einheimische Köstlichkeiten aber auch einen absolut empfehlenswerten Kaiserschmarren serviert. Spätestens jetzt zur Mittagszeit sind die kühlen Temperaturen des frühen Morgens vergessen und bei prächtigem Sonnenschein geniesse ich die Aussicht auf Scuol und die gegenüberliegende Talseite: Piz Minschun, Piz Champatsch und Piz Spadla reihen sich aneinander wie Perlen an einer Schnur.
Gestärkt und ausgeruht nehme ich den Abstieg nach Scuol unter die Füsse, begleitet von Murmeltieren, die sich trotz der Jagdsaison noch aus ihren Verstecken trauen. Schon bald führt der Weg hinein in den Wald, vorbei an der Funtana Cotschna und via Gurlaina nach Scuol. Beim Blick zurück nach Süden sticht einem hoch oben die Chamonna Lischana auf ihrer Aussichtskanzel ins Auge und wieder einmal bin ich erstaunt, wie weit die eigenen Füsse tragen.
Wem die Tour für eine Tageswanderung zu lang ist, kann den Weg auch auf zwei Tage verteilen und dazwischen in der Chamonna Lischana übernachten.
Sophia Bartolomei
Gut zu wissen
- Anreise: Von Scuol fährt einmal stündlich ein Postauto nach S-charl
- Dauer: ca. 6 Stunden Wanderzeit
- Distanz: 17 Kilometer
- Auf-/Abstieg: 1300m/1850m
- Schwierigkeit: T4
- Ausrüstung: feste Wanderschuhe, warme und wetterfeste Kleidung, evtl. Wanderstöcke, Sonnenschutz, Notfallapotheke, genügend Trinkwasser und Verpflegung
- Alternative: Der Weg ist in beide Richtungen begehbar, beim Abstieg über die Fora da l’Aua ist aber Vorsicht geboten
- Wichtiger Hinweis: Von S-Charl bis auf die Hochebene Rims gibt es keinen Empfang: den Wegverlauf daher gut einprägen oder eine Offline-Karte bereithalten