Helena Erny
Herzblut, lokale Zutaten und Kultur auf dem Dorfplatz
Die Aussicht vor dem Café Ajüz ist einzigartig. Das Lokal liegt mitten auf dem historischen Dorfplatz von Scuol Sot, umgeben von einer Arena traditioneller Engadiner Häuser. Hinter den Häusern thront die Kirche San Geer mit ihrem spitzen Turm. In der Mitte des Platzes steht der Dorfbrunnen Bügl Plaz. Umrahmt wird das Ganze von den Engadiner Dolomiten. Es könnte eine Bühnenkulisse sein, aber hier ist alles echt.
Wer einen der kleinen roten Tische auf der Terrasse mit den liebevoll arrangierten Wildblumensträussen ergattert, wird freundlich begrüsst - meist von Helena persönlich, der engagierten Geschäftsführerin des Café Ajüz. Schnell ist die persönliche Handschrift von Helena spürbar. Mit viel Herzblut und Liebe zum Detail hat sie vor drei Jahren das Konzept für das Café Ajüz ausgearbeitet und damit den Vermieter der Location davon überzeugen können. Das Café Ajüz ist nur im Sommer geöffnet. Im Winter ist die Küche Teil des Gruppenhauses Ajüz, das in der Skisaison an Schulklassen und grösseren Gruppen vermietet wird.
Vom Baselbiet ins Unterengadin
Helena kennt das Unterengadin gut, denn ihr Gotti führte früher das Hotel Rezia in Sent. Aufgewachsen ist sie jedoch vier Zugstunden entfernt im Baselland. Wegen eines Praktikums während ihrer Ausbildung im Hotelmanagement an der Hotelfachschule Luzern hat sie sich für das Unterengadin – genauer für Scuol – als erstmal temporärer Wohn- und Arbeitsort entschieden. Aus einer Saison wurden dann mehrere und das Engadin wurde zu ihrer Wahlheimat. In ihrem Leben ist Helena bereits viel gereist, in Scuol fühlt sie sich aber besonders wohl. Mit dem Ausbruch der Pandemie 2020 und dem Stillstand des Tourismus und damit der Gastronomie und Hotellerie entschied sich Helena über diese Zeit hier oben zu bleiben. In dieser Zeit traf sie sich draussen in der Natur mit Menschen aus ihrem hier aufgebauten Umfeld und ihren Freund*innen. «Ich bin in Scuol zuhause und möchte hier nicht freiwillig weg.», sagt Helena lachend.
Meine Hobbies, die Leidenschaft des Kreierens, in der Natur zu sein und mit der Natur zu arbeiten – das alles kann ich in meinem Beruf miteinander verbinden. Diese Freiheit schätze ich sehr.
Helena Erny Geschäftsführerin Café Ajüz
Gastgeberin mit Leidenschaft und Kreativität
Im Leben war es Helena schon immer wichtig, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen kann. Die Konzeptbildung für das Café Ajüz konnte sie alleine machen. Diese Freiheit schätzt sie. Ursprünglich wollte Helena eine Ausbildung in Sozialer Arbeit absolvieren. Auch die Fachrichtung Poly-Design, wo es mehr um die digitale Umsetzung von kreativen Ideen und Projekten geht, fand sie sehr interessant. Nach einem Abstecher ins Gastgewerbe entschied sich Helena dann aber für eine Ausbildung in der Hotellerie. Hier kann sie sich selbstständig machen, kann kreativ sein und hat gleichzeitig den Kontakt zu den Menschen.
Die Philosophie von Helena.
Nachhaltigkeit und lokale Produktion im Café Ajüz
Vom hausgemachten Kuchen bis zum Apéro nach Feierabend wird alles mit Sorgfalt und Liebe zubereitet. Wo immer möglich werden lokale Produkte bevorzugt. Helena Erny führt das Café Ajüz mit einer klaren Philosophie: Nachhaltigkeit und lokale Produktion stehen im Mittelpunkt. Im Café Ajüz wird ausschliesslich vegetarisch gekocht, Fleisch kommt nicht auf den Teller. Helena legt grossen Wert darauf, möglichst alle Zutaten aus der Region zu beziehen oder selbst im Garten anzubauen. Die Milch kommt direkt vom Bauernhof oder von der Lataria, das Getreide, wie zum Beispiel die Linsen, aus Thusis und das Gemüse dazu vom Bauernhof Chavalatsch. Auch wenn nicht alle Produkte regional bezogen werden können: Hochwertige Zutaten findet sie in der ganzen Schweiz.
Es gibt aber auch Herausforderungen, die nachhaltiges Wirtschaften mit sich bringt. «Nachhaltigkeit schlägt sich natürlich im Preis nieder», sagt Helena. Wenn sie die Beeren auf der Alp oder im Garten selber pflückt, sind die Produkte handgemacht und von höchster Qualität, aber auch teurer. Helena betont jedoch, dass das Problem nicht in den Preisen liegt, sondern darin, dass viele Produkte oft zu unrealistisch niedrigen Preisen verkauft werden. Ihre Philosophie ist es, den wahren Wert dieser hochwertigen, nachhaltig produzierten Lebensmittel zu vermitteln. Und das funktioniert.
Kulturelle Wiederbelebung des Dorfplatzes Plaz Grond in Scuol
Regelmässig finden Veranstaltungen auf dem Dorfplatz in Scuol Sot statt, die durch das Café Ajüz organisiert werden und Einheimische sowie Touristen gleichermassen anziehen. «Das Café auf dem Scuol Plaz ist ein Ort, an dem Kultur und Gemeinschaft gelebt werden sollen.» Der Verpächter der Lokalität und auch Helena waren sich von Anfang an einig, dass der Dorfplatz im unteren Teil von Scuol wieder belebt(er) werden soll. «Im kleinen Rahmen ist es mir gelungen, dass jeden Freitag im Sommer ein Konzert stattfindet. Es sind mehrheitlich lokale Künstlerinnen und Künstler, aber auch Acts aus der ganzen Schweiz.», betont Helena. An diesen Konzerten kommen immer genug Gäste und geniessen die Stimmung vor dem Café Ajüz. «Während es in der Nebensaison eher Einheimische zu uns zog, hat es während der Saison natürlich etwas mehr Tourist*innen.» Die Durchmischung ist also unter dem Jahr etwas anders.
Im kleinen Rahmen ist es mir gelungen, dass jeden Freitag im Sommer ein Konzert stattfindet. Es sind mehrheitlich lokale Künstler*innen, aber auch Acts aus der ganzen Schweiz.
Helena Erny hat mit dem Café Ajüz einen Ort geschafft, wo Herzblut, lokale Zutaten und Kultur vereint werden. Helena meistert die Herausforderungen der nachhaltigen Betriebsführung und setzt sich dafür ein, den wahren Wert lokaler Produkte zu vermitteln. Ihr Ziel ist es, den Dorfplatz von Scuol Sot zu einem Zentrum der Gemeinschaft zu machen. Helenas Engagement sowie ihre ganz persönliche Handschrift sind in all ihren Angeboten spürbar. /
Text: Chiara Ponti, Bild: Michelle Zbinden