Interviews
Flurina Baetschi und Tim Mastnak
Junge, talentierte Snowboarderin
Flurina Baetschi
- Was hat dich ursprünglich zum Snowboarden gebracht, und wie hat sich deine Leidenschaft über die Jahre entwickelt?
Bereits als Kind lernte ich mit meinen Eltern Snowboarden, allerdings auf einem Softboard. Später engagierte sich mein Vater dann in Snowboardgruppen bei der JO des Skiclubs Rinderhorn, und dadurch verbrachte ich mehr Zeit auf dem Snowboard. Ursprünglich war ich aber Eiskunstläuferin und war nur nebenbei, wenn Zeit übrig war, am Snowboarden. Meine jüngere Schwester begann dann mit dem Snowboarden im alpinen Bereich, und irgendwann probierte ich das auch. Nachdem ich mir beim Eiskunstlauf eine Rückenverletzung zugezogen hatte und aufhören musste, wechselte ich zu Snowboard Alpin, da dies mit meinem Rücken gut funktionierte. Snowboarden hat mir immer schon Freude gemacht und so entschied ich mich, auch am Sportgymnasium vom Eiskunstlauf zum Snowboardalpin zu wechseln. So wurde das Snowboarden für mich zur echten Leidenschaft mit ambitionierten Zielen.
- Wie sieht ein typischer Trainingstag in der Vorbereitung auf den Snowboard-Weltcup aus?
An einem typischen Trainingstag machen wir gleich nach dem Aufstehen Morgensport, also etwas Bewegung und Mobilisation. Danach frühstücke ich und bereite mich für den Schnee vor. Im Skigebiet angekommen, ziehe ich meine Snowboardausrüstung an und schlüpfe in die Snowboardschuhe. Anschliessend steht das Stangentraining an: Zuerst besichtige ich den Lauf, fahre mich etwas ein und wärme mich am Start auf. Dann trainieren wir Läufe im Kurs. Nach dem Training gibt es Mittagessen, und oft mache ich danach einen kurzen Mittagsschlaf, um Energie zu tanken. Am Nachmittag folgt dann ein zweites Training, zurzeit meist Pilates, manchmal auch etwas für den Oberkörper, den Rumpf oder Stretching sowie Videoanalysen mit dem Trainer. Wenn ich danach noch Zeit habe, arbeite ich ein wenig für mein Studium. Nach dem Abendessen spiele ich ab und zu mit dem Team ein Spiel, bevor ich dann früh ins Bett gehe, um für das nächste Training wieder fit zu sein.
- Wie bereitest du dich mental auf das Rennen in Scuol vor? Bist du bereits aufgeregt?
Noch liegt mein Fokus, ehrlich gesagt, eher bei den Rennen vor Scuol – wir gehen vorher noch nach China, Italien und Davos. Nach Weihnachten wird Scuol jedoch dann definitiv im Vordergrund stehen. Die Vorfreude ist sehr gross, denn Heimrennen in der Schweiz sind immer etwas ganz Besonderes. Um mich mental vorzubereiten, werde ich die Läufe für Scuol visualisieren. Vor dem Rennen werde ich sicher aufgeregt sein, aber vor allem freue ich mich sehr und werde mit viel Motivation an den Start gehen.
- Du hast dir mit starken Leistungen im Europacup in der vergangenen Saison einen Startplatz im Weltcup erkämpft. Wie gross ist der Schritt vom Europacup zum Weltcup?
Für mich ist der Schritt vom Europacup in den Weltcup schon ein bedeutender. Letzte Saison konnte ich im Europacup mehrere Podestplätze erreichen, darunter auch einen Sieg. Jetzt im Weltcup wird es vor allem darum gehen, gute Qualifikationsläufe zu zeigen und möglichst oft in die Finals zu kommen. In Zukunft sind meine Ziele Podestplätze im Weltcup, doch für die ersten Rennen geht es erst einmal darum, mein Bestes zu geben und so weit wie möglich zu kommen.
- Du trainierst seit dieser Saison vollständig im Weltcup Team. Was bedeutet es, dass du im Training zum Beispiel mit Julie Zogg eine Weltklasse-Athletin (2x Weltmeisterin, 2x Gesamtweltcupsiegerin) als Trainingspartnerin hast?
Das Weltcup-Team hat mich sehr gut aufgenommen, und es ist grossartig, mit ihnen trainieren zu können. Das Training mit den schnellen Athletinnen des Weltcup-Teams motiviert mich sehr und spornt mich an, mein Bestes zu geben. Die Athletinnen der Nationalmannschaft – Julie Zogg, Ladina Jenni und Jessica Kaiser – sind für mich grosse Vorbilder. Sie haben bereits vieles erreicht, was auch ich erreichen möchte, und deshalb ist es für mich besonders motivierend, mit ihnen trainieren zu dürfen.
- In Scuol werden hoffentlich viele deiner Freunde und deine Familie anwesend sein. Ist das für dich zusätzlicher Druck oder verleiht dir dies Flügel?
Wenn ich weiss, dass Familie und Freunde vor Ort sind, möchte ich natürlich, dass sie gute Läufe von mir sehen. Dadurch setze ich mich vielleicht ein wenig unter Druck, aber ich denke, es ist ein positiver Druck, der das Beste aus mir herausholt. Hauptsächlich freue ich mich einfach sehr, wenn ich weiss, dass Familie und Freunde da sind, um mich zu sehen und anzufeuern. Wenn ich dann noch gut fahre, ist es natürlich umso schöner, dass sie dabei sind und sich mit mir freuen können.
Snowboard-Legende
Tim Mastnak
- Was hat dich ursprünglich zum Snowboarden gebracht und wie hat sich deine Leidenschaft über die Jahre entwickelt?
- What originally got you into snowboarding and how has your passion developed over the years?
Das Snowboarden hat mich schon in jungen Jahren gereizt. Ursprünglich war ich Alpinskifahrer, aber nach dem Skitraining bin ich zum Snowboarden gestossen. Am Snowboarden reizten mich das Gefühl von Freiheit, das Carven auf der Kante und die Kopf-an-Kopf-Rennen. Im Laufe der Jahre ist diese Leidenschaft nur noch gewachsen. Wettkämpfe und Erfolge haben mich motiviert, immer neue Herausforderungen zu suchen und meine Technik zu verbessern.
I was drawn to snowboarding from a young age. Initially, I was an alpine skier, but I switched to snowboarding after ski training. Snowboarding attracted me because of the sense of freedom, the feeling of carving on the edge, and the head-to-head races. Over the years, this passion has only grown. Competitions and successes have motivated me to always seek new challenges and to improve my technique.
- Was war bisher dein stolzester Moment in deiner Snowboard-Karriere?
- has been your proudest moment in your snowboarding career so far?
Der stolzeste Moment in meiner Karriere ist zweifellos der Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen 2022 in Peking. Davon hatte ich seit meiner Kindheit geträumt, als ich mit dem Sport begann. Auf der grössten Sportbühne auf dem Podium zu stehen, war ein unglaubliches Gefühl.
The proudest moment in my career is undoubtedly winning the silver medal at the Beijing 2022 Olympics. It was something I had dreamed of since childhood, when I first started in sports. Standing on the podium on the biggest sports stage was an incredible feeling.
- Was ist Ihr Erfolgsrezept für Scuol? Welche Fähigkeiten brauchst du, um in Scuol erfolgreich zu sein?
- What is your recipe for success in Scuol? What skills do you need to be successful in Scuol?
Die Strecke in Scuol ist nicht die schwierigste, aber sie erfordert Konzentration und Anpassung an die verschiedenen Bedingungen. Aufgrund des hügeligen Geländes muss man präzise sein und die Übergänge zur Beschleunigung nutzen. Ausgezeichnete Carving-Fähigkeiten sind unerlässlich, was mir sehr entgegenkommt. Mein Rezept ist also, das Carven zu geniessen und von Kurve zu Kurve zu beschleunigen.
The course in Scuol isn’t the most difficult, but it requires focus and adapting to various conditions. Due to its undulating terrain, you need to be precise and use the transitions for acceleration. Excellent carving skills are essential, which suits me well. So, my recipe is to enjoy carving and accelerate from turn to turn.
- Wie sieht ein typischer Trainingstag in der Vorbereitung auf den Snowboard-Weltcup aus?
- What does a typical training day in preparation for the Snowboard World Cup look like?
Mein Training ist sehr abwechslungsreich. Ich verbringe viel Zeit auf dem Schnee, um meine Technik an die verschiedenen Geländeformen anzupassen, meine Abläufe zu verbessern und die richtige Ausrüstung auszuwählen. Wenn ich nicht auf dem Schnee bin, verbringe ich viel Zeit im Fitnessstudio und auf der Leichtathletikbahn. Ich konzentriere mich auf Explosivität, Kraft und Ausdauer, da diese Elemente für das Snowboarden entscheidend sind. Ich konzentriere mich auch auf die mentale Vorbereitung, damit ich in entscheidenden Momenten die Ruhe bewahren kann.
My training is quite varied. I spend a lot of time on the snow to adapt my technique to different terrains, improve my runs, and select the right equipment. When I’m not on the snow, I spend a lot of time in the gym and on the athletics track. I focus on explosiveness, strength, and endurance, as these elements are key for snowboarding. I also focus on mental preparation, so I can keep calm in crucial moments.
- Wie entwickeln Sie Ihre Technik, um mit den ständig wechselnden Bedingungen und der Konkurrenz im Weltcup Schritt zu halten?
- How do you develop your technique to keep up with the constantly changing conditions and the competition in the World Cup
Ich bin ständig bemüht, mich anzupassen und zu verbessern. Die Bedingungen bei Wettkämpfen ändern sich, deshalb ist es wichtig, schnell zu reagieren und seine Technik anzupassen. Ich lerne viel aus vergangenen Rennen und suche immer nach neuen Wegen, um besser zu werden. Ich experimentiere auch viel mit meiner Ausrüstung und benutze im Laufe der Saison verschiedene Boards für unterschiedliche Wettkämpfe. Um auf diesem Niveau zu fahren, muss man sich ständig weiterentwickeln, denn die Konkurrenz ist immer stark.
I constantly strive to adapt and improve. Conditions at competitions vary, so it’s important to react quickly and adjust your technique. I learn a lot from past races and always look for new ways to get better. I experiment a lot with my equipment as well, using different boards for different venues throughout the season. Competing at this level requires constant progress, as the competition is always strong.
- Welche Bedeutung hat der Snowboard-Weltcup in Scuol für Sie?
- What significance does the Snowboard World Cup in Scuol have for you?
Der Weltcup in Scuol bedeutet mir sehr viel. Es ist mein erfolgreichster Austragungsort im Weltcup. Hier habe ich meinen ersten Sieg errungen, meine erste kleine Kristallkugel gewonnen und vier Jahre in Folge die Qualifikation gewonnen, wobei ich nie schlechter als auf Platz 9 war. Ich freue mich jedes Jahr auf diesen Wettbewerb, vor allem wegen der hervorragenden Organisation. Die Zuschauer sind immer grossartig, die Strecke ist perfekt präpariert, und ausserdem liebe ich die Berge. Jedes Jahr vor dem Rennen nehme ich mir die Zeit, den ganzen Ort zu erkunden und das „Carver-Paradies“ zu geniessen.
The World Cup in Scuol means a lot to me. It’s my most successful venue in the World Cup. It’s where I achieved my first victory, won my first small crystal globe, and won the qualifications four years in a row, never finishing worse than 9th. Every year I look forward to this competition, especially because of the excellent organization. The crowds are always great, the course is perfectly prepared, and I also love the mountains. Every year before the race, I take time to explore the whole resort and enjoy the “carver-paradise.”
- Werden wir Sie nächstes Jahr wieder in Scuol sehen?
- Will we be seeing you in Scuol again next year?
Auf jeden Fall, solange alles nach Plan läuft und ich gesund bleibe! Der Wettkampf in Scuol ist für mich einer der Höhepunkte des Winters, auf den ich mich immer sehr freue. Ich hoffe, dass ich wieder auf höchstem Niveau antreten und um Spitzenplätze kämpfen kann. Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Organisatoren und die Zuschauer wieder ein tolles Snowboard-Spektakel auf die Beine stellen werden.
Absolutely, as long as everything goes according to plan and I stay healthy! The Scuol competition is one of the highlights of the winter for me, and I always look forward to it. I hope to compete at the highest level again and fight for top results. I have no doubt that the organizers and spectators will once again create an amazing snowboarding spectacle.
Schweizer Snowboard-Profi
Julie Zogg
Du hast so viel Erfolg mit deiner Sportkarriere und das resultiert sicherlich auch in stressigen und anstrengenden Zeiten. Du hast einmal gesagt, dass du normalerweise mit deiner Familie und Freunden entspannst. Wie balancierst du den Stress aus, wenn Familie oder Freunde keine Zeit haben oder du zu weit weg bist, beispielsweise in einem anderen Land?
Wenn die Familie und die Freunde weit weg sind, brauche ich für meine Balance «Me-Time». Ich geniesse es sehr, wenn ich einmal nur für mich Zeit nehmen und das machen kann, was gerade mein Bedürfnis ist.
Was ist dir wichtig, damit du eine Spitzen-Performance erreichen kannst?
Das Wichtigste für mich ist, dass ich Spass habe an dem, was ich mache. Ohne Spass und Freude hätte ich nie so grosse Erfolge feiern können.
Was machst du jeweils vor dem Rennen? Gibt es da gewisse «Rituale», damit du nicht nervös wirst? Falls ja, welche?
Kurz vor dem Start absolviere ich immer das gleiche Warm-up. Danach gehe ich in den Startbereich und gehe nochmals die wichtigsten Punkte für den bevorstehenden Lauf durch. Am Start gibt es dann noch kühlen Schnee in den Nacken sowie ein Handschlag mit meinem Physiotherapeuten, bevor das Startsignal erklingt.
Du bist eine Meisterin der Technik: Was sind die besten Übungen, die du einem Snowboard-Fan raten würdest – vor, während und nach dem Training?
Für mich ist es immer wichtig, dass ich vor dem Training gut aufwärme. Daher empfehle ich einem Snowboard-Fan, dass er sich vor dem Snowboarden aufwärmt. Essenziell dabei ist, dass alle Muskelgruppen einmal durchbewegt werden, sodass man auf alles vorbereitet ist. Während dem Training ist es für mich notwendig, dass man auch mal eine Pause macht und vor allem, dass man auf dem Berg genug trinkt (Wasser natürlich ;-)). Nach dem Training ist Regeneration angesagt. Das heisst, man geht spazieren oder leicht joggen, sodass man am nächsten Tag wieder fit für das Snowboarden ist.
Wie würdest du dich charakterlich beschreiben und was würdest du sagen, macht dich als Sportlerin und als Person aus?
Ich bin sehr ehrgeizig und bin auch eine Perfektionistin. Daher ist es für mich manchmal schwierig, wenn etwas nicht nach Plan geht. Ebenfalls bin ich sehr zielstrebig und versuche, mir im Leben sowie im Sport immer Ziele zu setzen.
Was ist das Erste, was du machst, wenn du eine Saison abgeschlossen hast?
Nach einer Saison wird mit dem ganzen Team angestossen und die Saison gefeiert. Danach geht es nach Hause zu meiner Familie und dann freue ich mich, dass ich wieder mehr Zeit für meine Familie und meine Freund*innen habe.
Was machst du im Sommer und in den Nebensaisons ohne Schnee, um in Form zu bleiben?
Für mich ist das Sommertraining das schönste Training im Jahr. Im Sommer trainiere ich möglichst vielfältig und versuche mich immer mal wieder in neuen Sportarten. Ich trainiere im Sommer elf Einheiten in der Woche. Fünf von elf Einheiten sind Krafttraining und die anderen sechs Trainings bestehen aus Ausdauertraining, Intervalltraining sowie diverse Spielsportarten, wie zum Beispiel Tennis oder Paddeln.
Wie würde dein Alltag ohne Snowboarden aussehen?
Nach meiner Snowboard-Karriere wünsche ich mir eine kleine Familie. Ich werde dem Sport sicherlich erhalten bleiben und mir ein eigenes Business aufbauen als Personaltrainerin, Masseurin und vielleicht auch als Mentaltrainerin, um jungen Athlet*innen zu helfen, ihre Ziele zu erreichen und den Weg dorthin zu erleichtern. So stelle ich mir den Alltag ohne Snowboarden vor.