Mit Marcus unterwegs.
Via Silenzi – Schneeschuhtour von S-charl zum Ofenpass
Es ist Mitte Januar. Gerade erst hat Frau Holle wieder reichlich Neuschnee ins Unterengadin geschickt. Ein guter Zeitpunkt, um auf einsamen Pfaden bei jedem Schritt das Knirschen unter den Schneeschuhen zu spüren. Die Anreise zum Ausgangspunkt der Tour ist bereits ein kleines Abenteuer, da man im Winter nur mit einem Pferdeschlitten nach S-charl kommt. In wärmenden Fellen gut eingepackt geniessen wir die Fahrt und bestaunen dabei eine glitzernde Winterlandschaft.
Nach der Ankunft beziehen wir die Zimmer im Gasthaus Mayor, die erste von drei Unterkünften auf unserer Tour. Das Haus ist einzigartig. Die Abgeschiedenheit verleiht ihm den Charakter einer einsamen Berghütte, aber mit allem Komfort eines Hotels. Es hat sogar eine kleine Sauna und einen Hot Tub und das Nachtessen in der gemütlichen Arvenstube war ein Genuss.
Am nächsten Morgen ist es nun so weit. Nach einem reichhaltigen Frühstück bereiten wir uns vor für die Tour. Das Ziel des heutigen Tages ist das Dörfchen Lü im Val Müstair. Nachdem wir unsere Sicherheitsausrüstung kontrolliert haben machen wir uns auf den Weg. Schon kurz nach dem Dorfausgang spüren wir eine winterliche Einsamkeit und folgen einer vom Vortag frisch gelegten Schneeschuhspur. Diese führt immer parallel zum Bach „Clemgia“ entlang und endet am Plan d’Immez. Nach einer kurzen Pause heisst es nun selbst spuren. Mit dem Ziel Alp Astras vor Augen folgen wir unserer Bergführerin Chantal Lörtscher auf Schritt und Tritt, was es bei einem halben Meter Neuschnee um ein Vielfaches einfacher macht. Für die vielen Wildtiere, welche hier leben, ist die Nahrungssuche unter solchen Bedingungen eine wahre Herausforderung.
Gegen Mittag erreichen wir die Alp Astras. Im Winter ist die Hütte nicht bewirtschaftet und so suchen wir uns im Windschatten des Gebäudes ein Plätzchen zur Rast. Bei minus 10 Grad ist ein warmer Tee aus der Thermoflasche jetzt genau das Richtige. Gestärkt geht es im Anschluss auf den zweiten Teil der Etappe. Mit jedem Meter in Richtung Pass da Costainas wird der Schnee tiefer und tiefer. Ich spüre nun deutlich, für diese Tour braucht es Kraft, Ausdauer und auch Geschick. Letzteres vor allem beim Abstieg. Nach über 6 Stunden erreichen wir glücklich und erschöpft das Ortsschild von Lü.
Der zweite Tag beginnt dort, wo der erst aufgehört hat. Motiviert für neue Abenteuer starten wir in Lü zunächst auf dem markierten Winterwanderweg in Richtung Alp Champatsch. Die Hütte ist zwar auch im Winter bewirtschaftet, aber für einen Kaffee sind wir noch etwas zu früh. Daher beschliessen wir, rasch weiterzugehen. Kurze Zeit später biegen wir ab in den Tiefschnee. Unverspurtes Gelände und eine erfahrene Bergführerin zur Seite: Das Leben kann schön sein. Das nächste Ziel ist die Fuorcla Funtana da S-charl, der Scheitelpunkt der heutigen Tour. Bis dahin werden wir dann 600 Höhenmeter absolviert haben. Zuvor erreichen wir jedoch noch eine Schlüsselstelle. Ein Kessel gefüllt mit einer riesigen Menge pulvrigem Schnee. Unsere Bergführerin Chantal erklärt uns nun einige Optionen, welche Passage heute machbar wäre und wie wir sie begehen sollten. Wir entscheiden uns, den Kessel am Hang einzeln zu traversieren. Eine wirklich spannende Erfahrung, bei der aber auch die Kraft der Natur mit jedem Schritt spürbar ist. Nach dem Passieren freuen wir uns nun auf die Mittagspause. Nach einer halben Stunde erreichen wir die Bar Aunta im kleinen Skigebiet Minschuns. Bei heissem Kaffee und einem leckeren Sandwich geniessen wir ein wunderschönes Gipfelpanorama. Der Blick reicht vom Ofenpass bis zur Ortler-Gruppe und das Val Müstair liegt uns zu Füssen.
Gestärkt geht es nun auf den letzten Abschnitt. Da es jetzt bergab geht, versuchen wir den Schwung des Schrittes mitzunehmen und ein wenig zu gleiten und keine unfreiwillige Erfrischung im Tiefschnee zu nehmen. Fazit: Gelingt gut. Ohne Sturz geht es nun weiter auf leisen Sohlen durch ein Wäldchen am Plaun da l'Aua und wir erreichen den Ofenpass rechtzeitig, bevor sich die Sonne für heute verabschiedet.
Fazit: Schneeschuhlaufen ist definitiv mehr als gemütlich Spazieren gehen. Wer auf diese Tour geht, muss bereit sein, die eigene Comfort-Zone verlassen zu können. Als Belohnung wartet aber jeder Menge unberührter und glitzernder Schnee in einer zur Winterruhe erstarrten Berglandschaft.
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Marcus Esser
Marcus lebt seit 2010 im Engadin und arbeitet für die Ferienregion Engadin Samnaun Val Müstair als Leiter Vertrieb & IT. In seiner Freizeit ist er mit dem Mountainbike oder mit Ski in den Bergen unterwegs. Im Sommer sieht man ihn öfters in der Region beim Windsurfen.