Skilehrer mit Leib und Seele
Cla Neuhaus
Von Franco Furger
Auf dem Sammelplatz herrscht Aufregung. Rund 700 Kinder müssen ihren Skilehrer oder die Skilehrerin finden. Mittendrin ist Cla Neuhaus und koordiniert. Mit der linken Hand telefoniert er, mit der rechten gibt er Anweisungen. Gleichwohl findet er Zeit, um Eltern zu beruhigen und Kinder zu trösten. Pünktlich um 9.45 Uhr fahren die Gruppen los, zuvorderst ein in Rot gekleideter Skilehrer, dahinter sechs bis acht Schüler.
800 Skischüler an einem Tag
Alles Routine für Cla Neuhaus, der Ruhe und eine natürliche Autorität ausstrahlt. Er ist Geschäftsführer der Schweizerischen Skischule Scuol Ftan und trägt in der Hochsaison die Verantwortung für 115 Skilehrer, 15 Snowboardlehrer und bis zu 800 Skischüler am Tag. 90 Prozent sind Kinder, die in Gruppen das Skifahren erlernen, sich verbessern und zusammen Spass haben.
Jeden Tag sehe ich dieses einzigartige Panorama
«Ich liebe meinen Job. Mir gefällt vor allem, dass ich mit Menschen zu tun habe. Und ich geniesse das Privileg, jeden Tag das Bergpanorama zu sehen», sagt Cla.
Der 48-Jährige arbeitet seit 25 Jahren bei der Skischule Scuol Ftan. Seine Berufung zum Skilehrer fand er mehr aus Zufall als durch Planung. Nach der Schreinerausbildung hatte er etwas freie Zeit und wusste nicht recht, was er unternehmen soll. Im Ausgang sagte ihm ein Freund: Arbeite doch mit mir als Skilehrer! Am nächsten Tag meldete sich Cla im Skischulbüro.
Einmal Skilehrer, immer Skilehrer
«Eigentlich wollte ich nur ein paar Wochen als Hilfsskilehrer arbeiten, aber ich war so fasziniert, dass ich bis Ende Saison blieb.» Im folgenden Winter begann Cla mit der Ausbildung zum Schneesportlehrer. In der Skischule übernahm er Jahr für Jahr mehr Verantwortung, bis er 2010 Skischulleiter wurde. Seinem Wohnort Ramosch blieb er stets treu. «Hier bin ich aufgewachsen, hier fühle ich mich am wohlsten.»
Frühmorgens bist du praktisch alleine auf der Traumpiste nach Sent
Der passionierte Skilehrer kennt das Gebiet Motta Maluns wie kein Zweiter. «Wir haben tolle Pisten, gemütliche Bergrestaurants, viel Sonne und ein super Panorama. Was ich besonders schätze, ist die familiäre und lockere Stimmung.» Und was ist seine Lieblingspiste? «Das hängt von den Bedingungen ab. Aber die Traumpiste nach Sent macht schon extrem viel Spass.» Sein Tipp: «Fahre die Traumpiste frühmorgens, dann bist du praktisch alleine unterwegs.»
Wenn viel los ist, rät Cla direkt zu den Skiliften Champatsch zu fahren. «Die Lage ist sonnig, die Hänge sind super und die meisten Leute kommen erst später hierher.» Auch bei Sturm oder schlechter Sicht weiss der Skilehrer einen Geheimtipp: «Die Piste von Prui nach Ftan liegt geschützt im Wald. Hier macht das Skifahren immer Spass, egal was das Wetter macht.»
Probleme sind da, um sofort gelöst zu werden
In der Saison kommt er nur wenig dazu, die Pisten für sich zu geniessen. Als Skischulleiter ist er quasi rund um die Uhr am Koordinieren, Planen, Verkaufen und Telefonieren. Nicht selten sitzt er abends alleine im Büro und tippt die letzten Buchungen ins System.
Ihm ist es aber wichtig, jeden Morgen am Berg zu stehen, um vor Ort zu sehen, ob alles rund läuft. «Ich versuche immer, Probleme sofort zu lösen. Es nützt ja nichts, wenn die Eltern erst am Schluss anmerken, ihr Sohn sei in der falschen Klasse.» Cla legt viel Wert auf eine offene und direkte Kommunikation – und auf Pünktlichkeit. «Bei so vielen Skilehrern geht es nicht ohne.»
Echte Winter, milde Sommer
Abwechslung zum hektischen Skischulalltag findet der zweifache Familienvater im Sommer. Vier Monate im Jahr ist er als selbständiger Schreiner tätig. «Alleine und in Ruhe an einem Möbelstück zu arbeiten, geniesse ich sehr.» In der Freizeit ist er gerne draussen unterwegs, beim Wandern, Biken oder auf der Jagd. Und natürlich beim Skifahren, das auch privat seine grosse Passion ist. «Im Unterengadin lebe ich so gerne, weil hier die Natur so ursprünglich ist und alle vier Jahreszeiten attraktiv sind. Wir haben echte Winter, aber auch milde Sommer», erklärt Cla.
Ein Skilehrer braucht Geduld und Freude am Unterrichten
Als Skischulleiter gehört auch die digitale Welt zu seinem Alltag. Die Einsatzpläne steuert er über eine App und immer mehr Leute buchen online. «In den vergangenen 25 Jahren hat sich vieles verändert. Auch die Ausbildung zum Schneesportlehrer ist viel strukturierter und professioneller geworden», weiss Cla. Eines jedoch sei gleichgeblieben: «Ein Skilehrer braucht Geduld und Freude am Unterrichten.»
Carven nicht rutschen
Hat Cla auch einen Tipp, wie man besser Ski fährt? «Viele carven nicht wirklich, sondern rutschen durch die Schwünge: Sie fahren noch die alte Technik», erklärt der Profi und fügt mit einem Lachen hinzu: «Wie echtes Carven geht, zeigen unsere Skilehrer und Skilehrerinnen gerne in einer Privatlektion. Alles kann an dieser Stelle ja nicht verraten sein.»
Text: Franco Furger
Bilder: Dominik Täuber, Claudio Daguati