Zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Rolf Zollinger
Der ehemalige Direktor des Grandhotels Waldhaus in Vulpera strahlt noch heute die Herzlichkeit eines Gastgebers aus. In seinem Haus bewahrt er die Andenken an das ehemalige Grandhotel auf wie in einer Schatzkammer – sein Büro gleicht einem Museum und lässt einen in eine vergangene Zeit eintauchen.
Die Suche nach der Berufung
Als Rolf mit 16 Jahren vor der Berufswahl stand, hatte er noch keine Ahnung, welcher Werdegang für ihn der passende ist. Da er sich schon immer für die Natur interessierte und sich gerne im Freien aufhielt, hat sein damaliger Sekundarlehrer ihm zur Ausbildung als Forstingenieur geraten. Rolf wollte jedoch etwas von der Welt sehen und nicht in seinem Heimatdorf Niederuster bleiben. Er entschied sich, eine Kochlehre in St. Moritz zu beginnen und so führte ihn sein Lebensweg zum ersten Mal ins Engadin. Nach der Ausbildung konnte er in verschiedenen Küchen, unter anderem in Genf, Zermatt und Schweden, Erfahrungen sammeln.
Die Jahre in England
Mit Anfang 20 kam Rolf aber zu dem Punkt, an dem er sich entscheiden musste, was er konkret mit seinem Leben anfangen wollte. Geplant war ein halbjähriger Arbeitseinsatz auf einem Kreuzfahrtschiff. Das Leben hielt aber einen eigenen Plan für ihn bereit und so zog es Rolf schlussendlich nicht zur See, sondern nach England. Im prestigeträchtigen Hotel «The Bell Inn» – dazumal eines der besten Restaurants in England – arbeitete er als Jungkoch. Innerhalb von fünf Wochen wurde er zum Sous-Chef befördert und arbeitete in einem 22-köpfigen Koch-Team. Dies war für Rolf eine schöne wie auch anstrengende Zeit. Nach einem Urlaub in der Schweiz kam aber wieder die Sehnsucht im Herzen auf, in sein Heimatland zurückzukehren.
Rolf war schnell klar, dass er nicht auf Dauer in England bleiben möchte und so begann er nach einer Wintersaison im Suvrettahaus in St. Moritz die Hotelfachschule. Das Schicksal wollte es, dass Rolf im darauffolgenden Sommer nach England zurückkehrte – so lernte er seine Frau Sally kennen. Mit ihr feierte er 2023 das 50-jährige Hochzeitsjubiläum. Im Jahr 1972 schloss Rolf die Hotelfachschule ab und arbeitete anschliessend als Restaurant/Reception Manager.
Die Zeit in England war für mich eine sehr lehrreiche Zeit. Dennoch war für mich klar, dass dies nicht das Land ist, in dem ich leben möchte und mich verwirklichen kann.
Rolf Zollinger
Heimkehr in die Schweiz – ins Engadin
Im März 1975 verliessen Rolf und Sally England, um sich in der Schweiz beruflich weiterzuentwickeln. Er erhielt die Möglichkeit, das Hotel Krone zu führen – mit 100 Betten war dies zur damaligen Zeit das grösste Hotel im Kanton Uri. Rolf konnte wieder dort arbeiten, wo es ihm am besten gefiel: an der Front eines Hotelbetriebs. Mit dem Aufkommen des Bustourismus in den 70er Jahren stand Rolf wieder vor der Frage, wie es für ihn weitergehen soll. Denn diese Art von Massentourismus, mit einer so enormen Intensität und Schnelllebigkeit, war nicht die Art von Tourismus, welche Rolf am Herzen lag. Nach einer dreimonatigen Auszeit, welche er für sich und seine Familie nahm, führten ihn die Umstände über einen Bekannten zur Arbeitsstelle in Vulpera.
Die Vielfalt der Hotelstrukturen in Vulpera
Mit 35 Jahren koordinierte Rolf als «Direktor Adiministation» die verschiedenen Betriebe in Vulpera. Dazu gehörten das Feriencenter, die Grosswäscherei, die ganze Infrastruktur in Vulpera sowie die Führung der Mitarbeitenden. Vulpera war ein magischer Ort. Man stelle sich vor: Alle Hotels gehörten zusammen und wurden ergänzt durch den Tennisplatz, die Tennishalle sowie den Golfclub. Es waren eigens Gärtner angestellt, welche den prunkvollen Park pflegten. Ein Sattler, Schreiner, Elektriker und Maler unterhielten die Hotelanlagen. Es war eine Welt für sich, einem Märchenort gleich, in welcher ein ganz anderer Rhythmus den Tagesablauf beherrschte. Rolf hat viele Bilder aus diesen Zeiten bei sich im Archiv, einen Teil der Unterlagen hat er aber auch dem Unterengadiner Kulturarchiv überlassen.
Unsichere Zeiten.
Der Einsatz um das Fortbestehen
Doch Rolf wusste nach der Übernahme der Hotels, dass es um die Gruppe finanziell nicht gut stand. Es folgte eine nervenaufreibende Zeit, in welcher nicht klar war, ob die Hotels mit den verschiedenen Freizeitanlagen in der nächsten Saison wiedereröffnet und weitergeführt werden können. Rolf gab nicht auf und steckte grosses Engagement in die Weiterführung der Hotelkette. Mit der Unterstützung der GKB und der Übernahme des Schweizerhofs durch den Robinson Club wurde das Fortbestehen gesichert. Es folgten sehr gute Jahre, in welchem Rolf und seine Frau Sally für die Gäste mit Herzblut das Grandhotel Waldhaus führten.
27. Mai 1989
Der Brand des Grandhotels Waldhaus
Der Brand des Waldhauses am 27. Mai 1989 war ein einschneidendes Ereignis. Rolf erinnert sich noch gut daran. Frühmorgens um 5.00 Uhr wurde er geweckt und nahm den Qualm von seinem Schlafzimmerfenster wahr. Innerhalb von zwei Stunden war das Grandhotel abgebrannt. Rolf konnte nur noch fassungslos zuschauen, wie das Hotel von den Flammen verschluckt wurde. Richtig realisieren, was passiert ist, konnte er erst, als der Vertreter der Kantonalen Gebäudeversicherung vor Ort war und der Feuerwehr die Anweisung gab, das Haus ausbrennen zu lassen.
Über die Brandursache wurde und wird noch heute spekuliert. Rolf beschäftigt sich immer noch intensiv mit der Frage nach dem Warum. «Dies ist ein hochemotional geladenes Thema und es gab viele Verdachtsmomente, die Fantasie kann da schon mal mit einem durchgehen», erinnert sich Rolf zurück. Nach dem Ereignis führte Rolf das Hotel Villa Post und Vulpera erholte sich langsam nach den Schrecken vom Brand. Mit dem Verkauf der Wohnungen aus dem Feriencenter und dem Abgang von Robinson Club aus dem Schweizerhof wurde der Zusammenbruch von Vulpera eingeläutet. Die Anlagen machten Defizit. Das Freibad sowie die Tennisanlage konnten nicht über die Hoteleinnahmen gedeckt werden. Rolf gelang es nicht, einen Investor zu finden und so musste er mit schwerem Herzen zusehen, wie die Hotelgruppe auseinandergerissen und an verschiedene Betreibende verkauft wurde.
Familie, Erinnerungen und die Liebe zur Natur
Für Rolf und seine Familie waren die Jahre in Vulpera schön und intensiv, welche aber auch ihren Tribut forderten. Für Hobbys blieb keine Zeit – seine Freizeit verbrachte Rolf mit seiner Familie. Sally war Rolf eine grosse Stütze. Mit ihrer britischen Art und der Fähigkeit, selbst in emotionalen Auseinandersetzungen einen kühlen Kopf zu bewahren, hat sie ihm stets den Rücken gestärkt. Die beiden erinnern sich noch heute an viele schöne Momente, welche sie über die Jahre mit den Gästen sammeln konnten. Natürlich gab es auch Situationen, in welchen nicht alles rund lief. Aber die beiden hielten und halten noch heute zusammen und geniessen die gemeinsame Zeit am liebsten mit der Hündin Holly. Fernab der Masse in der idyllischen Engadiner Natur kommt Rolf zur Ruhe und geniesst die stillen Momente. Besonders gerne wandert er zum Lai Nair oder in den Arvenwald «God da Tamangur».
Für Freizeitaktivitäten oder Hobbys bliebt mir keine Zeit. Meine Freizeit verbrachte ich mit meiner Familie. Bernhard Russi bezeichnete mich einmal als den unsportlichsten Hotelier der Schweiz.
Rolf Zollinger
Kulturschatz: Die Karteikarten.
«Keine Ostergrüsse mehr!»
Die bekannten Karteikarten aus dem Grandhotel Waldhaus Vulpera, welche von den Flammen verschont wurden, sind Zeitzeugen und im Buch «Keine Ostergrüsse mehr!» festgehalten. Zusammen mit Andrea Kühbacher und Lois Hechenblaikner hat Rolf das Buch erarbeitet und im Frühjahr 2021 herausgegeben. Anfang dieses Jahres hat Rolf Filmarbeiten für eine Dokumentation über das Waldhaus Vulpera begleitet. Der Film wird im Jahr 2025 ausgestrahlt und beschäftgt sich unter anderem mit dem Hotelbrand.
Rolf Zollinger ist ein guter Geschichtenerzähler – wer sich mit ihm unterhält, wird bald in eine andere Zeit zurückversetzt. Unterhaltsam und spannend erzählt er vom früheren Leben und schlägt so eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Bilder: Michelle Zbinden / Archiv Rolf Zollinger
Text: Michelle Zbinden
Rolf Zollinger hat eine Chronik über Vulpera verfasst, in welcher die geschichtliche Entwicklung ab 1800 v. Chr. bis 2017 festgehalten ist.
Aus dem Archiv.
SRF Reportage über den Brand im Waldhaus
Interessieren Sie sich für Details zum Brand im Grandhotel? Sehen und lesen Sie den Bericht vom Schweizer Fernsehen aus dem Jahr 2021, in dem der Brand und seine Folgen dokumentiert wurden.
Impressionen: damals und heute
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