Eine Symbiose zwischen Landwirtschaft und Hotellerie
Familie Patscheider Emmenegger
Landwirt aus Leidenschaft
Christian führt den Landwirtschaftsbetrieb «Chasuot», welcher 1984 erbaut wurde. Vor rund 10 Jahren hat er sich bewusst für die «Angus-Rinder» entschieden und widmet sich mit Leib und Seele der Viehzucht. Die Tiere zeichnet ihr freundlicher, neugieriger und friedvoller Charakter aus. Sie sind ausserdem geradezu prädestiniert für das bergige Terrain – schmale Wege und unebenes Gelände sind für die schottische Rasse kein Problem. So geniesst die Herde den Bergsommer auf der Alp Sarsura zusammen mit ihren Kälbern in völliger Idylle und Ruhe. Regelmässig besucht Christian die Alp, um nach dem Rechten zu schauen und ob es der Herde gut geht.
Zuchtbetrieb
Für die Zucht hat Christian einen eigenen Stier, welchen er alle vier Jahre austauscht, um frische Gene in die Herde zu bringen. Die Kühe werden gedeckt, wenn sie von der Alp zurückkehren. Nach einer Tragzeit von neun Monaten gebären die Mutterkühe ihre Kälber, welche bei der Geburt um die 30 Kilo wiegen. Im Vergleich zu anderen Rassen ist der Angus-Nachwuchs bei der Geburt sehr klein, was für die Mutterkuh ein geringes Geburtenrisiko bedeutet. Die Kälber legen ab dem ersten Tag zünftig an Gewicht zu – im Schnitt ein Kilo pro Tag. Um das Gewicht und somit den Gesundheitszustand der Kälber zu überwachen, befindet sich im Stall eine Waage für die Tiere.
Mehr als ein Beruf
Christian ist mit Herzblut bei seiner Arbeit und dies spürt man als Gast sehr gut. Seine Tiere scheinen ihn ebenfalls dafür zu mögen. Sie begrüssen ihn freundlich, sobald er ihren Auslauf betritt. Auch Besucher*innen sind für die Angus-Rinder interessant und werden neugierig beschnuppert. Für Christian ist es wichtig, dass die Stimmung in der Herde stets harmonisch ist und sich die Tiere untereinander vertragen. So kann es sein, dass er eine Kuh fortgibt, wenn sich diese nicht richtig integrieren kann und Unruhe in die Herde bringt. Für Ordnung schaut auch Serina – sie ist die langjährige Leitkuh und gleichzeitig der Liebling von Christian. Mit ihren 14 Jahren ist sie das älteste Herdenmitglied und darf ihren Lebensabend in Chasuot geniessen.
Es liegt auf der Hand, dass in einer Mutterkuhhaltung nicht alle Tiere behalten werden können. Das Fleisch aus der Zucht wird für den Eigengebrauch und den Hotelbetrieb verwendet. Christian legt grossen Stellenwert auf einen hohen Standard, wenn es um die Verpflegung und Betreuung seiner Gäste geht. Die Tiere dürfen in einer artgerechten Umgebung aufwachsen und werden respekt- und würdevoll behandelt.
Der Ausgleich zum Alltag
Die Landwirtschaft nimmt einen Grossteil seiner Zeit in Anspruch. Für Hobbys neben der Viehzucht bleibt fast keine Zeit. Dennoch findet sich neben der Landwirtschaft ein Ausgleich. Christian ist passionierter Jäger und nachdem seine Kühe von der Alp Sarsura im heimischen Stall eingekehrt sind, geht er im September auf die Hochjagd. Wie ihr Ehemann kommt auch Andrea in der Natur am besten zur Ruhe – am liebsten während einer Wanderung in der Abgeschiedenheit des Nationalparks oder auf einer Bike-Tour.
Im Engadin angekommen
Christian hat seine Frau Andrea während eines gesamtschweizerischen Kurses für Skilehrer*innen im Toggenburg kennengelernt. Andrea lebte zu diesem Zeitpunkt in der Region Sörenberg. Damals, ohne Handy, war die Kommunikation nicht vergleichbar zur heutigen Zeit. Christian besuchte Andrea jedoch regelmässig in ihrer Heimat. Nach ihrem Sprachaufenthalt im Ausland entschied sie sich, ein Praktikum bei Christians Eltern zu absolvieren, welche damals den Hotelbetrieb führten. Nach diesem Sommereinsatz war für Andrea klar, dass sie im Engadin bleiben möchte und eine Weiterbildung in der Hotellerie beginnt. So machte sie ihren Abschluss an der Handelsschule in Chur mit dem Schwerpunkt Hotelmanagement.
Engagement und Teamgeist
Dies liegt nun bereits 20 Jahre zurück und Andrea hat festen Fuss im Gastgewerbe gefasst und schätzt die vielfältigen Herausforderungen, welche der Beruf mit sich bringt. Im Jahr 2004 haben Christian und Andrea den elterlichen Hotelbetrieb «Baer & Post» übernommen und üben den Beruf mit Herzblut aus. Der Zusammenhalt in einem familiengeführten Hotel ist enorm und auch wichtig. An turbulenten Tagen hilft man sich gegenseitig und jeder Einzelne packt mit an. So kommt es nicht selten vor, dass Andrea die Rezeption verlässt und im Service oder in der Küche aushilft. Christian ist nebst den Arbeiten auf dem landwirtschaftlichen Betrieb und der Viehzucht dafür verantwortlich, dass in der Küche die Abläufe einwandfrei funktionieren.
Die Anfänge
Als in den 1870er Jahren der Säumer- und Karrenweg über den Ofenpass ausgebaut wurde, erlangte die Hotellerie in Zernez eine wichtige Stellung. Auch der Bahnbau im Jahr 1913 bescherte dem ganzen Engadin einen weiteren positiven Effekt. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg auch die Reisefreudigkeit wieder und der Fremdenverkehr florierte. Der Hotel- und Gastronomiebetrieb wurde in all den Jahren kontinuierlich modernisiert und an die Bedürfnisse der Gäste angepasst. Das Traditionshotel in Zernez wird nun bereits in vierter Generation von Christian und Andrea Patscheider Emmenegger geführt.
Die Geschichte geht weiter
Christian und Andrea sind ein eingespieltes Team und mit Zernez, der Natur und den Traditionen im Engadin stark verwurzelt. Ihr ältester Sohn Cristian hat wie sein Vater die Ausbildung zum Koch im Oberengadin begonnen. Tochter Laura ist für ihre Ausbildung nach Engelberg gezogen und Linus, der jüngste Spross der Familie, geht in Zernez in die sechste Klasse. Und so nimmt die langjährige Geschichte des familiengeführten Landwirtschafts- sowie Hotelleriebetriebs ihren Lauf – man darf gespannt sein, wie diese weitergeht.
Text: Michelle Zbinden
Bilder: © Mellita Abber und Foto Eichholzer | © Christian Patscheider | © Michelle Zbinden